Stampfenbachstrasse 8 – Zürich
1980–1982

Viele meiner Freunde und Bekannten wussten, dass ich «mit der Idee, einen richtigen Jazzclub zu realisieren, schon seit fast einer Dekade schwanger ging», schrieb der Journalist Peter Rüedi einmal in einem Zeitungsbeitrag. Stimmt! Hatte aber auch eine gute Seite: Ein Telefonat vom einem alten Freund, dem Architekten Gianpiero A Marca, war eigentlich die Initialzündung, die zum ersten professionellen Bazillus-Klub führte.

Ein paar private Unternehmer hatten 1978 im Gebäude der damaligen Alten Blumenbörse an der Zollstrasse, hinter dem HB-Zürich, die Idee, einen Kultur-Begegnungsort zu realisieren. Gianpiero hatte über den deutschen Architekten Jochen Uhl zufällig erfahren, dass da etwas im Gange sei. Er stellte den Draht zu Jochen her. Jochen kam dann 1978 an eine Session in den Bazillus-Workshop am Albisriederplatz und fand das Ganze eine sehr gute Sache. Auch der Adjunkt Berhard Uhlmann von der damaligen Präsidialabteilung war vorbeigekommen, um zu zeigen, dass auch die Stadt hinter dem Lokal am Albisriederplatz stand. Dieser erste Bazillus-Workshop konnte 1975 unter dem «Patronat des damaligen Stadtpräsidenten Sigmund Widmer» realisiert werden.

Jochen Uhl hatte mit den Commercio-Leuten schon einige Restaurants in der Stadt realisiert. Er hatte zu diesem Zeitpunkt mit Max Zubler eine eigene Architekturbude gegründet. Das Projekt «Alte Blumenbörse» wurde am Schluss nicht realisiert.

Kurz darauf teilte mir Uhl mit, dass die Laden-und Geschäftsräume der Zoohandlung Zoo Zihler an der Stampfenbachstrasse 8 zu mieten seien. Rein zufällig wurde ihr Architekturbüro angefragt, ob sie an diesen Räumlichkeiten für eine Diskothek oder etwas ähnliches interessiert seien. Der Inhaber der Liegenschaft war der Millionär Max Bircher (damals weit über 80 J.). Seine Liegenschaften wurden von Fredy Ulrich aus Zug verwaltet. Zum Gebäudekomplex gehörte also das Haus Zoo Zihler und integriert das grosse Geschäftshaus Weinbergstrasse 11. Im selben Komplex war auch das Kino Capitol eingemietet. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich Dieter Schärer (Bazillus-Mitinitiant ab 1972) und Bernhard Uhlmann von der Stadt vorab intern informiert und abgemacht, sie erst «aufzuscheuchen«, wenn das Projekt "Händ und Füess hätt". Schärer und und ich hatten nämlich seit 1972 etwa 40 Projekte ausgecheckt, die nicht realisiert wurden…

Das Hauptproblem waren aber nicht die Räumlichkeiten, sondern das nicht vorhandene Beizen-Patent um ein reguläres Restaurant mit Alkohol-Ausschank zu realisieren. 

Es war Jochen Uhl, der Bescheid wusste, wie man ein grosses Bauprojekt realisiert. Ohne Jochen wäre das alles nie zu Stande gekommen!

Dann ging alles ruck zuck. Ich trommelte die beiden andern Bazillus-Initianten Schärer und Uhlmann herbei. Auch Franz Baumberger als Hauptwirt und Joachim Maté als Vize stiessen dazu. Wir erstellten am 7. November 1978 das Konzept für den Betrieb.

Es kam eine kurze Organisations-Phase. Alle brachten ihre Erfahrungen ein. Zeitgleich entstand dann die Bazillus AG. Hier ein paar Fotos von den Hauptverantwortlichen beim unterschreiben der AG-Papiere.

Dann kam die Vertrags-Unterzeichnung mit Fredy Ulrich.

Ich begann mit Jochen Uhl vor allem den zukünftigen, hinteren Klubraum zu planen. Da konnte ich alle meine Erfahrungen in das Projekt einbringen. Ich war ab 1966 auf Tourneen, besuchte als Musiker viele europäische Jazzklubs, wo ich lernen konnte, was es braucht, eine richtig gute Jazzclub-Atmosphäre hinzukriegen.

Wo kommt die Bühne hin, wie hoch soll eine Jazz-Bühne sein, und was braucht es im Backstage-Raum? Wie und wo kommen die Musiker mit ihren Instrumenten rein? Ein Tourbus-Parkplatz muss her usw.

In der ganzen Stadt gab es einen regelrechten Kampf um Beizen-Quadratmeter zur Führung eines legalen Restaurantbetriebs. Eine neue Generation von Restaurtant-Unternehmern (z.B. Manz, Bindella, Commercio usw.) machten Druck auf die Behörden. Das alte Wirtschafts-Gesetz war für alle Unternehmer eine harte Nuss. Die Gesetze der Behörden waren veraltet und es war nur eine Frage der Zeit bis sich hier etwas ändern würde. Niemand hätte jedoch gedacht, dass es noch fast 20 Jahre dauern würde, um über ein neues, liberaleres Beizen-Gesetz abzustimmen.

Da gab es zuerst mal die berüchtigte Bedürfnis-Klausel. Das heisst "wie viele Beizen pro Häuserblock verträgt ein Gebiet?" Im Kreis 1 war es klar, dass es für uns schwierig würde, aus dem Nichts ein neues, grosses Restaurant mit Klub zu bauen. Was sicher half, waren die guten Beziehungen zur Präsidialabteilung und die Tatsache, dass es sich hier um eine Kulturbeiz mit Restaurantbetrieb an der vorderen Stampfenbachstrasse handelte.

Zuerst mussten wir «Kompensationsfläche» kaufen. Eine Zunft verkaufte uns die Fläche ihres Vereinslokales mit einem Alkohol Patent oberhalb der Beiz «Turm», Obere Zäune, 8001 Zürich. Gegenüber der Sihlpost wurde zu diesem Zeitpunkt das Grossprojekt der Hochschule für Wirtschaft HWZ gebaut. Der Milchverband (!) Winterthur verkaufte uns dazu ebenfalls Kompensationsfläche mit Alkoholpatent. Es waren zwei Bars und die Bar-Fläche durfte für ein Restaurant mit doppelt so vielen Quadratmeter realisiert werden. Aus diesem Grund konnten wir damals den «ersten, grossen Bazillus» auf die Beine stellen. Die Kompensationsfläche kostete uns zirka Fr. 220’000.- (!). 

Ich kannte den Wirt Franz Baumberger des Szene-Restaurats „Die Palme“, von meinen dortigen Besuchen. Ich erinnere mich nur vage ob es da einen bevorstehenden Wirtewechsel gab. Ich fragte Franz, ob er bei uns als Hauptwirt mitmachen wolle. Wir brauchten einen Wirt, der für die junge, strube Szene geeicht war.

Jochen Uhl und Max Zubler brachten den zweiten Wirt, Jochen Maté ein, der für den gesamten Küchenbetrieb und das Alltagsgeschäft zuständig war.

Die baulichen Auflagen waren immens! So mussten wir den Backstage-Bereich halbieren, weil da eine überdimensionierte Lüftungsanlage rein musste. Im Konzert-Hauptraum mussten wir die Decke mit Betonplatten isolieren und mit Akkustik-Schaum veredeln. Da oben war nämlich das damalige Pornokino des Kino Kapitol positioniert.

Der Umbau wurde um einiges teurer. Das kannte man auch von anderen Projekten. Nicht vergessen: Zürich gehört(e) zu den teuersten Städten der Welt!

Es gab gleichzeitig viel zu tun. In dieser Zeit wurde mir nach nur 5 Jahren der Bazillus-Workshop am Albisriederplatz gekündigt, weil der Hausbesitzer, Hr. Wullschleger ACAR AG, mehr Miete herausholen und das Haus sanieren wollte. Erst viele Jahre später erfuhr ich, dass er alles der UBS verkauft habe. Zum Glück fand ich dann Ende 1979 relativ schnell den Raum an der Ausstellungssstrasse 21. (s. Bazillus 1, Albisriederplatz).

Am 14. April 1980 fand ein erstes,  internes Eröffnungsfest statt. Ein Fest, vor allem für die Erbauer, Initianten, die Beizencrew, die Bauleute, Hausbesitzer, Verwalter, Behörden und ein paar Stadtbekannte dazu. Am 15. April waren dann die Tore für Leute offen, die zu unseren zukünftigen Klub-Gästen zählten, die Konzerbesucher und Musiker. Für beide Abende hatte ich Modernjazzer aus meinem Freundeskreis zu einem Megajam eingeladen.