Anlässlich der Juni-Festwochen 1983 kündigte Stadtpräsident Thomas Wagner an, dass es nach der Schliessung des «Bazillus-Musikrestaurants» an der Stampfenbachstrasse, wieder einen Bazillus-Jazzklub geben werde.

Inzwischen hatten Dieter Schärer und ich die Gründung eines zweiten Bazillusvereins eingeleitet. Wir konnten gute Leute mit klingenden Namen als  Gründungsmitglieder und in den Vorstand des neuen Vereins holen. Dabei waren bekannte Jazzer wie George Gruntz und Bruno Spoerri, oder Peter Rüedi, Schriftsteller und Journalist, auch dabei waren Dieter Bachmann, Schriftsteller, der damalige Musikchef von DRS 3, Willy Bischof, und die bekannte Kultur-Veranstalterin Maria Zehnder,

Siehe auch Geschichten > Bazillus Verein I / II / III

Die Suche nach einem neuen Lokal ging weiter. In diesen wilden Tagen wurde auch die Beiz «Gans» im vorderen Niederdorf, als möglicher Standort erwähnt. Wir erhielten sogar Pläne, um die Möblierung festzulegen. Doch das hatte wegen einer Einsprache vom damaligen Wirt der "Gans" nicht geklappt. Er hatte vor Mietgericht eine Verlängerung erkämpft. 

Der Bazillus Hotel Hirschen wird realisiert

Hier beschreibt der Journalist Erich Schmid im Tagesanzeiger, wie wir damals zum Bazillus Hirschen gekommen sind. Nach den 80er-Unruhen war politisch der Teufel los. Alles war im Umbruch. Hotspots waren die «Rote Fabrik», das «Kanzleiareal» und der «Bazillus».

Trotzdem: Fröhliche Aufbruch-Stimmung

Anstatt Trübsal blasen, will ich lieber davon erzählen, was im neuen Bazillus besser wurde. 

Für den Klub war nun der «Verein Musikrestaurant Stadt Zürich» zuständig, ohne eine Aktiengesellschaft wie im ersten Bazillus-Klub, und wir hatten von der Stadt einen vom Gemeinderat beschlossenen, jährlichen Beitrag von 380'000.- zugesprochen bekommen. Ich war auch freier in der Programm-Gestaltung. Im «Stampfenbach-Bazillus» war ich ja gezwungen gewesen, an den Wochenenden kommerziellere Formationen zu buchen (Salsa-Latin-Afro), für die ich in den Medien (TA) dann ausgiebig kritisiert wurde.  Ansonsten kamen wir unserem alten Grundkonzept wieder näher, weil wir die Musiker im Haus unterbringen konnten.

Im Keller war genug Raum vorhanden für ein Tonstudio, und draussen an der Wand hatte es einen Steckkasten vom DRS 3 für Livemittschnitte. Der Übertragungswagen konnte direkt vor dem Studio in der Hirschengasse parkieren.

Im Eingangsbereich gab es eine Bar, die am Morgen offen hatte. Da hatte ich einmal Hannery Amman angetroffen. Auch Polo Hofer schwirrte herum. Oder irgendwelche englische Rockmusiker, die am Vorabend irgendwo in der Stadt gespielt hatten. Quasi eine «Early Morning-Hangover-Bar». Im hinteren Klubraum haben die Hotelgäste gefrühstückt. Da konnte es schon mal passieren, dass Eddie Harris oder Sun Ra über die Hoteltüre in die Bar reinkamen, um in den «Speisesaal» (Club) zu gelangen.

Der Backstage-Raum lag direkt über der Bühne im ersten Stock und war mit einer steilen Holztreppe direkt verbunden. Die Musiker gingen nach dem Gig rauf ins Hotel – duschten und grad ging’s wieder runter, Richtung Backstage…

Textausschnitt – ZKB-Buch «Tonarten und Klangwelten» (Züri-Reihe)

Und der Klubraum hatte die richtige Grösse, dass sich auch unbekanntere Musiker auf der Bühne nicht so verloren vorkamen, wie im zu grossen Bazillus-Musikrestaurant.

Hier in loser Folge einige Fotos von Bands, die in dieser Zeit aufgetreten sind:

Ich konnte verschiedene Bands mehrere Tage auftreten lassen, weil mit dem Hotel alle Bedürfnisse abgedeckt waren. Die Musiker fühlten sich generell sehr wohl bei uns. Einige sind bei uns abgestiegen, auch wenn sie gar nicht bei uns gespielt hatten. Die «Rote Fabrik» war ein guter Kunde von uns. Larry Coryell buchte ein paar Tage, um im «Bauernzimmer» zu komponieren.

Wenn das Sun Ra Arkestra vom Süden gen Norden reiste, sind sie gern bei uns abgestiegen. Sun Ra liebte den Lamm-Gratin von unserem Starkoch Andi Zehnder (später  Betreiber von Restaurant/Bar «Sansibar»).

Mitarbeiter nach unserem Gusto

In Übereinstimmung mit dem jeweiligen Wirt konnten wir unsere Service-Mitarbeiter selber auswählen. Dieter war der Geschäftsführer und ich war für die Musik und Ambiance verantwortlich. Der erste Wirt hiess Reini Zürcher, dem es bei uns aber nicht wohl war. Sein Nachfolger war Andreas Müller, der bis 2013 zirka 15 Jahre für Bazillus und B-Flat mitgearbeitet hatte.

Es gab auch den begehrten Job als Nachtportier. Da hatten wir Leute die mit Musikern gut umgehen konnten…

Wir waren ein gut eingespieltes Team. 

Ich fragte mich lange, wie wir bloss ohne Computer und Internet über 360 Konzerte (inklusiv Sonntag-Nachmittag) im Jahr mit nur zwei Personen nebenberuflich organisieren konnten. Ich habe dieses Blatt gefunden:

Dieter Schärer hatte mir in seiner Funktion als Geschäftsleiter alles, was Behörden, Hotel, den Verein und das Finanzielle betraf, vom Leib gehalten. Ihm war es zu verdanken, dass der Betrieb nicht aus den Fugen geriet!

Bazillus/Hotel Hirschen muss schliessen

Ein politischer Entscheid hatte dazu geführt, dass gegen eine Schliessung des Bazillus nichts mehr zu machen war. Die Miete war reiner Wucher und einigen linken Parlamentariern ist das sauer aufgestossen. Ich verstand das gut!  Mit dem Immobilien-Hai-Scotoni war es gnadenlos teuer. Wir waren immer der Meinung gewesen, dass die Stadt das Gebäude kaufen würde. Doch der Verkaufspreis von Scotoni war so hoch, dass die Leute bei der Stadt abwinkten.

Dieter und ich hatten zwar noch Ideen, was wir im Hirschen hätten ändern können. Dann stimmte der gesamte Gemeinderat ab: Bazillus ja, aber an einem günstigeren Ort! Das wurde zu fast 100% angenommen - nur die Autopartei war dagegen(!). Der Gemeinderat beauftragte dann die Liegenschaften-Verwaltung der Stadt Zürich und das Bauamt mit dem Auftrag: Klub finden!!

Ausschnitt: Diskussionsrunde DRS aktuell 19.01.1987

mit Stadtpräsident Thomas Wagner, mit Parteipräsident Hans-Ulrich Zbinden der SP ZH/Gemeinderat ZH, und mit Bazillus Geschäftsleiter Dieter Schärer. Das Gesprächt führt Edith Jud vom Schweizer Fernsehen.

Nach so kurzer Betriebszeit war es klar, dass der Verein die Investitionskosten nicht tilgen konnte. Erika Hug von Musik Hug startete unter ihren Freunden eine Sammelaktion und brachte über 220'000.- Franken zusammen! Auch die Schweizerische Bankgesellschaft (UBS) liess den Rest-Kredit sausen und die Stadt kaufte dem Verein das gesamte Equipment inklusive Flügel für 50'000.- ab, und so konnten wir das brauchbare Inventar in den Bazillus Workshop II an die Ausstellungsstrasse 21 hinüber retten.

Ich war von der ganzen Angelegenheit völlig erschöpft. Dieter beschwerte sich ebenfalls, dass ihm langsam seine Kunden davon laufen würden. Man darf nicht vergessen; wir waren beide berufstätig. 

Noch ein letzter, polemischer Aufschrei im letzten Musikprogramm.

Mittlerweile ging die Suche nach einem geeigneten Lokal weiter. Die Idee, den Bazillus im Gantlokal an der Zähringer einzurichten, klappte dann schlussendlich wegen einem Veto der «Pestalozzi Bibliothek» nicht. Sie wollte sich im selben Haus vergrössern. Und da war eh kein Wirte-Patent drauf.

Projekt «Hotel Schwert»

Da wir wussten, dass der Bazillus Hirschen im März 87 geschlossen würde, hatte ich Anfangs November 1986 den Gründer des Zürcher Jazzfestivals 1951, André Berner getroffen, der den Besitzer der «Bäggli Hotel AG» kannte (Hotel Schwert und Hotel Rothus). Wir bekamen die Pläne vom Hotel Schwert und ich begann verschiedene Varianten von Möglichkeiten zu zeichnen. Wieder ein Bazillus mit grossem Konzertraum (wie das heutige Moods), ein Hotel, Restaurant im ersten Stock, zwei Ladenlokale, vielleicht für CD’s und Vinyl…?

Es gab ausserdem ein Gartenrestaurant und eine hauseigene Tiefgarage mit Autolift… mitten im Niederdorf! Zu schön, um wahr zu sein. Den Zuschlag für den grossen Raum bekam dann schlussendlich der Modeladen «BOX».

Am 3. März 1987 wurde der Bazillus Hotel Hirschen geschlossen.

Die Liegenschaften-Verwaltung der Stadt Zürich LVZ und das Amt für Hochbauten waren angesprochen. Das Ganze wurde dann eher zu einer Alibi-Übung. Die LVZ hatte fast keine Industrie-Räume oder ähnliches in ihrem Immobilien-Portefeuille. Es wurden ein paar Beizen halbherzig vorgeschlagen, obwohl alle wussten, dass das nichts wird.

Ein Stadtarchitekt, der diese Pläne zeichnen musste, erklärte mir, dass sein Job fast nicht mehr auszuhalten sei. Die Stimmung nach dem Tschanun-Amoklauf  im April 1986 war in seiner Abteilung im Bauamt am Boden. 

Da war noch die Idee, den Bazillus im Restaurant im Hause Neumarkt Theater unterzubringen…

Fast hätte ich noch ein allerletztes Projekt vergessen! Die SBB wollten im Hauptbahnhof beim 'Treppeneingang Landesmuseum' in einem grossen Raum Kultur in den HB bringen. Auch hier gab es wieder Sitzungen mit Unterstützung der Stadt mit Machbarkeits-Studien und Planungsarbeit …für die Katze. Das Projekt wurde auch gekappt und ich bin heute sehr froh, dass wir das nicht durchgezogen haben! Am diesem Ort kam dann die Migros rein.

Hier war ich am Punkt angelangt, keinen weiteren Bazillus-Klub realisieren zu wollen. Ich redete zuerst mit Dieter, dass es mit unserem «Bazillus» vorbei sei. Er wollte auch nicht mehr. Wir hatten beide ab 1972 für einen Jazzklub gekämpft. Zwei wurden Realität. Dass wir das Handtuch geworfen haben hatte eben auch mit reiner Erschöpfung zu tun => 12 Jahre Bazillus-Kulturarbeit nebenberuflich!

Ich ging zur Stadt und erklärte meinen Verzicht: Der jährliche Beitrag von 380'000.- Franken soll an einen neuen Jazz-Klub-Verein weiter gegeben werden und dieser würde wiederum einen neuen Namen kreieren.

Erst nach zirka 3+ Jahren war es soweit: Das erste Moods konnte beim Selnau eröffnet werden. Der neue Moods-Vereinspräsident Jürg Grau wollte noch, dass ich da im Hintergrund auch mitmache. Ich hatte aber keine Lust mehr.

Dann übernahm die Stadt quasi das Zepter. Die «Bazillus-Idee» wurde definitiv von den zuständigen Behörden einverleibt.

In Zeitungsberichten wurde weiterhin erwähnt, dass es mit dem Bazillus weiter gehe. Ich war aber von diesen neuen Verhandlungen schon ausgeschlossen. Doch man wollte sage und schreibe meinen geschützten Namen Bazillus im neuen Projekt Metropol weiterverwenden!

Meine Wut war damals gross genug, dass ich Lust hatte, etwas ganz anderes zu versuchen…

Kurz darauf eröffnete ich 1988 in unserem ehemaligen Wohnatelier den ersten (illegalen) B-Flat-Club.